Digitale Aktie: Wie KMU und Investoren konkret profitieren
KMUs sind das Rückgrat der Schweiz. Diese kleinen und mittleren Unternehmen machen 99 % aller Schweizer Firmen und zwei Drittel aller Arbeitsplätze aus. Ihre Bedeutung für die Schweizer Wirtschaft ist enorm.
Der Druck, der auf diesen Unternehmen lasten, dürfte in Zukunft aber nicht kleiner werden. Erschwerende gesetzliche Rahmenbedingungen, Nachfolgelösungsnotstand, Fachkräftemangel, makroökonomische und geopolitische Spannungen, aber auch der fortschreitenden Digitalisierung geschuldete Themen wie Cyberangriffe oder Wettbewerbsdruck durch KI stellen die KMU vor Herausforderungen. Das zeigen verschiedene KMU-Barometer-Umfragen.
KMU-Finanzierung: Oft eine Herkulesaufgabe
Alle diese Herausforderungen müssen gemeistert werden – und hierfür sind die KMUs eben auch auf Kapital und Finanzierungslösungen angewiesen. Suchen KMUs nach Finanzierungsmöglichkeiten, bieten Banken oft die erste und naheliegendste Anlaufstelle. Gerade bei grösseren Projekt- und Wachstumsfinanzierungen ohne Sicherheiten wie z.B. eine Geschäftsimmobilie sind diese jedoch oft zurückhaltend.
So zeigen Studien von Professor Andreas Dietrich aus den Jahren 2017 und 2021: Viele KMUs mit Finanzierungsbedürfnis gehen erst gar nicht zur Bank, da sie davon ausgehen, keinen Kredit zu erhalten. Auch werden sie durch die mühsamen Prozesse sowie die hohen Anforderungen an die geforderten Sicherheiten abgeschreckt.
Insbesondere für Eigenkapital- und Wachstumsfinanzierungen bieten Kapitalmärkte eine weitere bedeutende Finanzierungsquelle. Diese werden heute von KMU heute aber kaum genutzt. Von den über 500’000 Schweizer Firmen in der Schweiz sind gerade einmal 500 Unternehmen öffentlich an Börsen und ausserbörslichen Plätzen handelbar.
Der Grund dafür liegt hauptsächlich im hohen Aufwand und den komplizierten Abläufen. Für viele KMUs bleibt deshalb oft nur der mühsame Weg, die benötigten Mittel aus dem eigenen Cashflow oder über ihr eigenes Netzwerk zu beschaffen. In der Konsequenz wird die Finanzierung eines KMUs so nicht selten zur Chefsache, was sie eigentlich nicht sein sollte, da sich ein CEO vielmehr mit dem operativen Aufbau des Geschäfts und nicht mit der Finanzierungssuche beschäftigen sollte.
Vorteile der Tokenisierung für KMU
Wie also kommen diese Unternehmen an Kapital und werden für die Öffentlichkeit investierbar? Einen potenziell gangbaren Weg zeigen die Tokenisierungsversuche von KMU-Aktien auf. Die Tokenisierung von Unternehmensanteilen dient dabei als Mittel zum Zweck. Mit der Tokenisierung lassen sich die genannten Herausforderungen quasi «auf Knopfdruck» lösen. Sie ermöglicht es, eigene Anteile mit minimalem Aufwand und nahezu ohne Intermediäre an die Öffentlichkeit zu bringen.
Neben der allgemeinen Option der Kapitalbeschaffung kann die Tokenisierung aber auch bei mindestens zwei der anfangs genannten Herausforderungen für KMU konkret Abhilfe schaffen. So könnte eine Nachfolge im Rahmen einer Nachfolgelösung finanziert werden, indem die Finanzierungslücke, welche die Nachfolger selbst nicht erbringen können, mit externen Investoren geschlossen wird. Die Tokenisierung bietet kleineren Unternehmen eine moderne und effiziente Möglichkeit, Anteile zu digitalisieren und zu verwalten.
Gleichzeitig ist die Ausgabe eines digitalen Aktientoken ein neues Mittel, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, indem fähige Mitarbeiter mit einfacher zu handhabenden und potenziell liquideren Beteiligungsmöglichkeiten incentiviert werden können. Da die Ausgabe neuer digitaler Aktien per Knopfdruck erfolgt, sind Beteiligungsprogramme für Mitarbeiter im Vergleich zu traditionellen Methoden effizienter und damit kostengünstig zu gestalten.
Die Administrationsaufgaben, die Aktienbuchführung sowie verschiedenste Corporate Actions werden immens vereinfacht. So können Generalversammlungen beispielsweise digital und mittels automatisiertem Einladungsversand abgehalten werden. Auch sind Vertretungen einfach zu erfassen und es wird sogar die Durchführung von Echtzeit-Abstimmungen möglich.
Die Effizienz kommt auch daher, dass die Tokenisierung für die Aktienausgabe theoretisch keine Bank, keinen Zentralverwahrer und auch keine Zahlstelle mehr voraussetzt. Auch die Zahl der erforderlichen Anwälte wird reduziert. So braucht es vielleicht noch einen Anwalt, der die Statuten anpasst – nicht mehr länger vonnöten ist aber der Anwalt, der Zeichnungsscheine administriert. Dank der heute auf Aktien-Tokenisierung spezialisierten Plattformen sind die Registrierungsvereinbarungen automatisiert.
Vorteile für Investoren
Aus Sicht eines Investors ergeben sich ebenfalls verschiedene Vorteile. Besonders nennenswert ist die Tatsache, dass investierbare Anlageuniversum grösser wird. Dank der Tokenisierung wird der Zugang zu jungen Wachstumsfirmen und KMUs erhöht. Und so wie ein Unternehmen auf Knopfdruck Geld sammeln kann, kann eben auch ein Investor einfach per Knopfdruck investieren. Es ist der Schritt von Social Media zu einer Art Investor Media. Der Handel von allerlei Vermögenswerten wird durch Digitalisierung immer mehr im Alltag ankommen, wobei dies auch Risiken mit sich bringt, die jeder selber beurteilen muss.
Wie sieht diese Zukunft aus? Bin ich als Frühinvestor in eine Firma investiert, kann ich bei Kapitalerhöhungen bequem per Knopfdruck mitmachen. Und wenn ich diese Aktien verkaufen möchte, dann verkaufe ich diese nicht direkt an die Firma zurück, sondern an andere Investoren. Hier werden sich in absehbarer Zukunft neue Liquiditätspools ergeben – Startups aus der ganzen Welt werden sich bewerben können und so ein globaler Startup-Markt schaffen. Wo und wie diese Liquidität entstehen soll, haben wir in diesem früheren Artikel ausgeführt.
Digitale Aktien bieten Aktionären neue Möglichkeiten, direkt mit dem Unternehmen in Kontakt zu treten. Im Rahmen eines modernen «Investor Relations 2.0» können Investoren von Anfang an stärker in die Unternehmensentwicklung eingebunden werden. Durch innovatives Community-Management und die Digitalisierung entsteht eine Plattform für intensivere, transparentere und direktere Interaktionen – ein echter Mehrwert für beide Seiten.
Ein gewichtiger Vorteil aus Investorensicht werden zudem die weiter fallenden Transaktionsgebühren sein. So hat die Digitalisierung diese in den vergangenen Jahren bereits stark gesenkt. Angetrieben durch Fintechs sind auch unter den Banken immer günstigere Handelsmöglichkeiten entstanden. Künftig wird ein Trade noch weniger kosten – dafür wird die voranschreitende Akzeptanz der Blockchain-Technologie sorgen.
Bisher benötigt man für den Aktienhandel ein Depot, das mit Gebühren verbunden ist. Bei tokenisierten Aktien kann man zwar weiterhin ein Depot bei einer Bank oder einem Fintech eröffnen, es ist aber nicht zwingend nötig. Stattdessen kann man neu auch digitale Aktien direkt über ein eigenes Wallet selbstverwahren oder mit anderen Aktionären Peer-to-Peer handeln.
Zu guter Letzt bietet die Tokenisierung die Möglichkeit, KMU-Aktien an einem digitalen Marktplatz, wie ihn die BX Digital schaffen wird, mit täglicher Liquidität handelbar zu machen. Dies schafft viele Vorteile für das Unternehmen als auch für seine Investoren (siehe Abbildung).
Praxisbeispiel RealUnit
Eines der KMUs, welche seine Aktien bereits vor mehr als bald zwei Jahren tokenisiert hat, ist die RealUnit AG. Bei diesem Unternehmen handelt es sich um eine Investmentgesellschaft, die, im Gegensatz zu anderen KMUs, ihre Aktien bereits über den herkömmlichen Weg ausgegeben hat. Zusätzlich zu den traditionellen Aktien hat RealUnit auch digitale Aktien emittiert. Das Ziel der Emission digitaler Aktien bestand vor allem darin, neue, insbesondere auch jüngere Investoren zu gewinnen.
Auch passt ein digitaler Aktientoken, deshalb gut zur RealUnit AG, weil dieser die Selbstverwahrung ermöglicht. Das heisst, dass jeder Inhaber eines digitalen Aktientokens diesen auch selbst verwahren kann, sofern er das möchte. Dieser Aspekt der Blockchain und Aktientoken stärkt letztlich das Versprechen der RealUnit AG, Vermögenswerte möglichst ausserhalb der traditioneller Finanzinfrastrukturen zu halten.
Im Fall von RealUnit ist die Strategie bisher denn auch aufgegangen. Innerhalb des ersten Jahres konnte die Firma das Aktienkapital mittels Token um 10% erhöhen. Augenscheinlich und in diesem Sinne ein Beweis dafür, dass die Investoren, den von RealUnit immer wieder betonten Zweck verstanden haben, lieferte das CS-Fiasko von 2024. Während dieser Zeit war die Nachfrage nach dem RealUnit-Aktientoken fast doppelt so hoch wie jene nach der traditionellen Aktie.
Der Generationenwandel schreitet voran
Das Bedürfnis für diese neue Art der Kapitalbeschaffung und Investoreninteraktion existiert aufseiten der KMUs bereits. Auch die Vorteil für den Investor sind heute ersichtlich. Für den ganz grossen Durchbruch braucht es aber noch einen Generationenwandel. Dieser dürfte bereits im Gange sein. Wie so oft in der Geschichte eines Wandels gilt aber auch hier: Das Potenzial der Tokenisierung wird in der kurzen Frist über-, in der langen Frist aber eindeutig unterschätzt.
Dank der fortschrittlichen Regulierung entwickelt sich in der Schweiz ein wachsendes Ökosystem von Tokenisierungsplattformen wie Tokengate, daura, Aktionariat, Taurus und Mt. Pelerin, die ihre Vision eines neuen digitalen Kapitalmarkts entschlossen umsetzen. Der Aufbau eines Schweizer Handelsplatzes für digitale Vermögenswerte ist ebenfalls im Gange, mit BX Digital in einer führenden Rolle. BX Digital verfolgt das Ziel, neue Standards in der Effizienz des Kapitalmarkts und im Zugang zu digitalen Vermögenswerten wie KMU-Aktien zu schaffen. Dafür strebt das Unternehmen als erstes DLT-Handelssystem eine Bewilligung nach dem Schweizer Finanzmarktinfrastrukturgesetz an.
Und auch vonseiten der Investoren dürfte die Neugier an der Tokenisierung und deren Chancen nicht abnehmen. Denn wer hätte nicht bereits von Anfang an in eine heute grosse Schweizer Firma wie Sika, Holcim oder Geberit investiert sein wollen?
Passend zum Thema findet sich unten ein Interview-Gespräch, das Matthias Müller mit Daniel Stüssi vor einem Jahr geführt hat. Im Interview gehen die beiden der Frage nach, wie der Aktientoken der RealUnit AG im Detail funktioniert und weshalb Anleger diesen nachfragen.
Offen, effizient, sicher und dezentral.
Aktuelles von BX Digital
Tom Rieder, Managing Director von Tokengate, gibt Einblicke in die Vision und Ziele seines Unternehmens, das den Zugang zu digitalen Vermögenswerten neugestalten will.
Rainer Kobler spricht mit Matthias Müller über die Zukunft von Private-Equity-Investitionen und wie Digitalisierung und Tokenisierung den Zugang zu Private Equity erleichtern könnte.
Prof. Dr. Nina Reiser von der Universität St. Gallen teilt ihre Einblicke zur Zukunft von Decentralized Autonomous Organizations (DAOs).